Zu AMERICAN AQUARIUMs 20-jährigem Geburtstag gleicht "Lamentations" seinem Titel zum Trotz einem Geschenk der Musiker an sich selbst und ihre weiterhin stetig wachsende Anhängerschar. Die Country-Großmeister fassen sämtliche Register, die sie mit der Zeit gezogen haben, in einer gedrungenen Stilblüte zusammen, der Shooter Jennings als Produzent zusätzliches Profil verliehen hat.

Spätestens jetzt erkennt man die Band innerhalb weniger Sekunden, nachdem eines ihrer Lieder eingesetzt hat, wobei "Lamentations" - der Titel deutet es bereits an - insofern ein wenig in die Irre führt, als der Stimmungsschwerpunkt eher auf der Schattenseite des Daseins liegt. Musikalisch hingegen zeigt sich die Gruppe vielfältig wie ehedem.

Besonders im Fokus steht Gitarrist und Sänger BJ Barham, der bereits im eröffnenden 'Me + Mine' zu einer schmerzhaften, aber heilsamen Lebensbeichte ansetzt. Der Frontmann versteht "Lamentations" als akustischen Vertrag mit sich selbst, um fortan abstinent von Alkohol und anderen Rauschmitteln zu bleiben, die seine Existenz und jene seiner Angehörigen bis zuletzt bedrohten.

Von einer gewissen Larmoyanz können sich AMERICAN AQUARIUM deshalb nicht völlig befreien, doch die Melancholie steht ihnen hervorragend, zumal sie äußerst glaubwürdig wirkt. Letzten Endes spenden mehrere Stücke Hoffnung - vor allem das zurückgelehnte 'Before The Dogwood Blooms' sowie das fiebrig treibende 'Brightleaf Burley' - auf bessere Zeiten, und das ist etwas, das die Menschheit insgesamt im Frühjahr 2020 dringender denn je braucht.

Insofern ist "Lamentations" auch ein brandaktuelles Album - und wenn mit der vorab ausgekoppelten ersten Single 'The Long Haul' der einzige ungetrübte Silberstreif am Horizont den Abschluss bildet, ist man sich sicher, dass es eine Zukunft gibt.

FAZIT: AMERICAN AQUARIUMs bislang songorientiertestes Werk gießt den Stil und die Haltung der Band quasi in Zement - "Lamentations" darf in Anbetracht von Texten, deren jede Zeile ins Mark trifft, und einer Performance, die mal eben ein halbes Jahrhundert (Rock-)Musik aus den Vereinigten Staaten zu ihrer Essenz verdichtet, schon jetzt als Americana-Klassiker bewertet werden.